JUGOSLAWISCHE MODERNE

Kulturzentrum, Kolašin, Montenegro, 1976. Architekt: Marko Mušič.
Kulturzentrum, Kolašin, Montenegro, 1976. Architekt: Marko Mušič.
Foto: Thaler

Unfinished Modernisations

27.03.2012

Alt, aber sexy: Im Rahmen der Kulturhauptstadt Maribor zeigt die Umetnostna galerija Maribor eine sehenswerte Ausstellung zur Architektur der Moderne in Ex-Jugoslawien

Vielleicht hat es diesen Abstand ja gebraucht: Zwanzig Jahre nach dem Ende Jugoslawiens widmet sich erstmals eine umfassende Ausstellung dem außergewöhnlichen architektonischen Erbe der ehemaligen Republik. Unfinished Modernisations, noch bis 22. April in der Umetnostna galerija Maribor zu sehen, darf dabei getrost als Friedensprojekt bezeichnet werden. Unter Beteiligung von Institutionen und KuratorInnen aus allen Landesteilen Ex-Jugoslawiens wurden zahlreiche Beispiele aus Architektur und Städtebau zusammengetragen und eine Darstellung der gesellschaftlichen und politischen Hintergründe der Epoche von 1949 bis 1992 erarbeitet. Mit zahlreichen Analysen, Videos und Fotoessays dokumentiert Unfinished Modernisations den Prozess der Modernisierung Jugoslawiens, ein Projekt, das aufgrund des Zerfalls des Landes letztendlich unvollendet blieb.

Jugoslawien, das nach dem zweiten Weltkrieg eine geopolitische Sonderrolle zwischen den Blöcken in Ost und West einnahm, erfand mit dem jugoslawischen Kommunismus nicht nur seine eigene Staatsform, sondern suchte auch in der Architektur einen eigenständigen Weg. Der Architektur fiel dabei die Aufgabe zu, den Prozess der Transformation des Landes von einer ländlich geprägten in eine städtische Gesellschaft zu bewältigen, aber auch dem jungen Staat baulichen Ausdruck zu verleihen. Dass Jugoslawien dabei auf ganz selbstverständliche Weise die westlich geprägte Moderne zur Staatsarchitektur erhob, lag sowohl an der Blockfreiheit Jugoslawiens, das gerne die Nähe des Westens suchte, als auch an zahlreichen Arbeitserfahrungen, die jugoslawische ArchitektInnen vor und nach dem Krieg in westlichen Büros wie jenen von Adolf Loos, Le Corbusier und anderen sammeln konnten.

Das hohe Maß an Lust und Experimentierfreudigkeit, mit der die größtenteils sehr jungen ArchitektInnen zu Werk gingen, die Verquickung von Pragmatismus und skulpturalen, teilweise ins Irrationale gehenden Ansätzen, ließ in Jugoslawien eine sehr eigenständige Form moderner Architektur entstehen. Eine Radikalität, die von staatlicher Seite durchaus gewollt wurde, galt es doch, das junge Land auch international nachhaltig zu positionieren.

Die Vermutung liegt nahe, dass das Experiment Jugoslawien, die Utopie einer Gemeinschaft unterschiedlicher Völker in einem Staatenbund, auch an seiner Radikalität zerbrach. Die in der Ausstellung gezeigten Gebäude und städtebaulichen Fragmente stehen daher ebenso für den Enthusiasmus wie für das Scheitern eines Staates, der nur knappe fünfzig Jahre existierte.

Zwanzig Jahre nach dem Ende Jugoslawiens ist es den Machern der Ausstellung daran gelegen, die dokumentierten Bauten, befreit von jeglicher Ideologie, auf ihre Funktionalität und Alltagstauglichkeit im Heute zu prüfen – mit zum Teil überraschend positivem Ergebnis. Die Ausstellung gerät wohl nicht ganz unbeabsichtigt aber auch zu einem Nachdenken über Erfolg und Misserfolg des jugoslawischen Staatenbundes, über Möglichkeiten und Risiken politischer Vereinnahmung von Architektur, über die Wertschätzung des Utopischen damals im Gegensatz zu seiner Marginalisierung heute.

Kein Zweifel: In seiner Kompromisslosigkeit besitzt Jugoslawiens architektonisches Erbe bis heute seinen eigenen Reiz. Unfinished Modernisations fragt nach Wegen, die Qualitäten dieses Erbes ins Heute zu übersetzen. Unvollendetes muss ja nicht zu Ende sein.

Kurzinfo
Artikel erschienen am 27.03.2012 auf
www.gat.st

Fotos
Wolfgang Thaler

Webtipp
Umetnostna galerija
Maribor


JUGOSLAWISCHE MODERNE

Foto: Thaler

Unfinished Modernisations

27.03.2012

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